Mit dem Scape hat Fractal Design zur Computex 2024 sein erstes Gaming-Headset vorgestellt, mit etwas Verspätung findet das minimalistische Modell nun endlich in unsere Redaktionsräume. Kann das Headset im Test überzeugen?
Und wieder begibt sich ein Hardware-Hersteller auf neues Terrain und erweitert sein bisher eher spezialisiertes Angebot auf eine völlig neue Produktkategorie. Der schwedische Hersteller Fractal Design hat sich in den letzten Jahren vor allem einen Namen mit eleganten PC-Gehäusen im skandinavisch-minimalistischen Stil gemacht. Später wurde dieses Angebot um verwandte Produkte wie die Lumen-Wasserkühlung oder Netzteile erweitert.
Das Gaming-Headset Fractal Scape hat mit der bisherigen PC-Hardware dagegen nur noch indirekte Berührungspunkte und setzt eine völlig neue Expertise voraus. Entsprechend begegnen wir solchen Ankündigungen in der Regel eher mit Neugier als Begeisterung, denn solche Diversifizierung kann auch gehörig in die Hose gehen.
Dennoch wünschen wir uns, dass die Expansion gelingt, denn modisch zurückhaltendes Design ist im Gaming-Bereich bisher noch die Ausnahme. Und nicht jeder Mittdreißiger möchte seine PC-Ecke wie eine bunt blinkende Gaming-Höhle gestalten.
Design: Schlicht & typisch skandinavisch
Das Fractal Scape ist in zwei Farboptionen erhältlich. Angesichts des ansonsten sehr schlichten Designs haben diese einen großen Einfluss auf die optische Wirkung des Headsets. Die weiße Variante passt eher zu minimalistisch eingerichteten Wohnungen, während das Headset in wohnlicheren Umgebungen mit seiner fast klinischen Farbgebung schnell deplatziert wirken kann. Die schwarze Variante kommt ebenfalls schlicht daher, wirkt aber noch etwas eleganter.

In beiden Fällen macht das Gerät einen sehr wertigen Eindruck: Die schnörkellosen Flächen in Mattschwarz oder Grauweiß werden an Scharnieren, Mikrofongelenk und dem charakteristischen Drehknauf von feinen Metallelementen unterbrochen. Auch die stufenlose Größenverstellung wirkt hochwertig, auch wenn sie etwas schwergängig ist. So geht die bevorzugte Einstellung immerhin nicht versehentlich verloren.
Bedienung: Durchblick trotz vieler Tasten
Positiv sind auch Design und Verteilung der Bedienelemente am Kopfhörer, die allesamt eine markante und einprägsame Form aufweisen. So finden wir uns beim Ertasten trotz der großen Menge an Knöpfen, Schaltern und Rädern schnell mit dem Finger zurecht, ohne jedes Mal das Headset absetzen und nachsehen zu müssen.
Die Tasten am Kopfhörer beinhalten – neben der Grundausstattung an Ein/Aus- und Stummschalttaste sowie Bluetooth/Dongle-Schalter – auch viele unübliche Optionen. Angefangen bei der Form des Lautstärkerads, das sich für Play/Pause eindrücken lässt, gehören zu den Überraschungen eine eigene Taste für den Wechsel der aktiven Equalizer-Einstellung sowie eine Taste zum Deaktivieren der Beleuchtung.
Letztere ist sehr dezent gehalten, bei einem Gaming-Headset aus meiner Sicht aber völlig überflüssig. Zumal die Beleuchtung in der Regel zulasten der Akkulaufzeit geht (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Positiv ist, dass das Deaktivieren der Dauerbeleuchtung nicht für die LED-Effekte beim Einschalten und bei der erfolgreichen Verbindung zur Ladestation gilt. Dadurch hat das Abschalten keinerlei Nachteile.
Ein Highlight: Die Ladestation
Die Verbindung zur Ladestation erfolgt kabellos, hierzu wird das Gaming-Headset einfach auf die beiden stoffbeschichteten Ladeflächen gelegt. Auch bei der Station hat sich Fractal für das Skandi-Design entschieden, das sich durch filigrane Elemente und schlichte Formen auszeichnet. Meinen persönlichen Geschmack treffen die abstehenden Ladeflächen aber nicht.

Durch einen breiten Gummiring an der Unterseite wird die Ladestation bombenfest an Ort und Stelle gehalten, außerdem gibt es drei praktische Kabelführungen. Die Station wird mit dem PC und der USB-Dongle zum kabellosen Verbinden des Headsets mit einem verstecken Anschluss an der Unterseite der Station verbunden.
Tragekomfort des Fractal Scape bereitet Kopfschmerzen
Eine Aussparung an der Ladestation erlaubt auch das Andocken mit Mikrofonarm, doch dieser lässt sich auch vom Headset entfernen. Die Ohrpolster hingegen lassen sich nicht ohne weiteres abnehmen und austauschen, doch das ist auch nicht unbedingt nötig: Mit ihrem groben Stoffbezug sind die dicken, aber weichen Polster auch bei höheren Temperaturen angenehm luftdurchlässig und liegen auch nach mehreren Stunden noch komfortabel an.
Das Gleiche lässt sich leider nicht über den Kopfbügel sagen, denn dessen Polsterung ist ein wenig zu dünn geraten. Bei längerer Nutzung wird der darunter liegende Bügel deutlich spürbar und es entsteht ein unangenehmes Druckgefühl, sodass ich das Scape jeweils nach etwa zwei Stunden für eine kleine Pause abnehmen musste. Hier hätte ich mir auch eine Funktion zum Drehen der Ohrmuscheln gewünscht, damit ich das Headset noch etwas gemütlicher um den Hals tragen könnte.
Konnektivität: Dongle, Bluetooth & USB-C
Das Fractal Scape wird entweder kabellos über einen USB-A-Dongle mit der Ladestation verbunden oder per Bluetooth 5.3. Leider bleibt es bei einer „Entweder-oder“-Lösung: Über einen Schieberegler am Kopfhörer muss die aktive Quelle gewechselt werden. Eine simultane Wiedergabe von Bluetooth- und 2,4-GHz-Wireless-Quellen, wie sie bei Konkurrenzprodukten wie dem JBL Quantum 910 (Test) oder dem Asus ROG Delta II (Test) angeboten wird, ist leider nicht möglich.
Akkulaufzeit nur „solala“?
Fractal gibt die kabellose Laufzeit mit 40 bis 50 Stunden an, was ein solider, aber nicht überragender Wert ist. Das ROG Delta II von Asus hält bis zu 110 Stunden durch. Beide Werte gelten allerdings nur, solange die LEDs deaktiviert bleiben. Mit eingeschalteter Beleuchtung halbiert sich die Laufzeit des Fractal Scape auf knapp 20 Stunden, das ROG-Modell kommt sogar nur auf 24 Stunden, also einen Bruchteil des Maximalwerts.

Allgemein halte ich persönlich nicht viel von RGB-Beleuchtung am Kopfhörer, die ich selbst höchstens beim Abnehmen zu Gesicht bekomme. Wenn diese allerdings ein so zentraler Teil des Produktdesigns ist, wie es bei der Konkurrenz von Asus und JBL der Fall ist, geben die ausgeschalteten LED-Elemente ein eher trauriges Bild ab.
Keine LEDs, keine Akkuprobleme
Da lässt sich der LED-Verzicht zugunsten mehr Laufzeit beim Fractal Scape deutlich besser verschmerzen, denn die Leuchtelemente sitzen hier nur in den Spalten zwischen Ohrpolstern und Ohrmuscheln. Da die wichtigen Leuchtsignale beim Ein/Ausschalten und bei der erfolgreichen Ladeverbindung mit der Station auch bei deaktivierter Beleuchtung erhalten bleiben, besteht eigentlich kein Grund, die LEDs aktiviert zu lassen.
Eine volle Ladung soll per Ladeschale rund 5 Stunden dauern, die alternative Ladeoption per USB-Kabel ist auch während der Nutzung möglich und geht etwas schneller voran. Wer das Headset nach dem Gebrauch auf der Ladestation parkt, sollte aber ohnehin nie Probleme mit der Akkulaufzeit haben.
Software: Keine Installation nötig!
Großes Lob verdient Fractal für die web-basierte Softwarelösung “Adjust”, die vor kurzem mit dem Meshify 3 (Test) eingeführt wurde. Für ein vollständiges Fractal-Ökosystem lassen sich hier Kühlung, Audio und Beleuchtung aller kompatiblen Geräte anpassen, ohne eine separate Software herunterladen zu müssen.
Detailreicher Klang mit viel Anpassungsspielraum
Bei der Königsdisziplin lässt sich Fractal nicht lumpen: Der Klang überzeugt mit Klarheit und Weiträumigkeit. Die 40-mm-Treiber leisten im Spiel und beim Musikhören ganze Arbeit und lassen uns ingame Sounds einfach verorten, während einzelne Musikinstrumente detailliert auf einer großen Klangbühne dargestellt werden.

Über die Equalizer-Taste direkt am Gerät kann das Klangbild schnell verändert werden, standardmäßig stehen hier die drei Optionen “Balance”, “Clarity” und “Depth” zur Auswahl. Die drei EQ-Profile können durch ein viertes erweitert und allesamt umfangreich angepasst werden.
Mit etwas Herumprobieren lässt sich die Klangkurve über Gain, Frequenz und Gütefaktor (Q), also die Breite des bearbeiteten Bereichs, ganz nach Belieben gestalten und die bevorzugten Frequenzbereiche für bestimmte Musikrichtungen etwas hervorheben. Es wird sogar ein EQ-Code generiert, über den sich das eigene Profil ganz einfach mit anderen Nutzern teilen oder als Vorlage für ein neues Profil kopieren lässt.
Mikrofon: Klare Stimme vor dem PC und unterwegs
Viele kabellose Gaming-Headsets enttäuschen bei der Mikrofonqualität, weshalb wir häufig zum Einsatz eines separaten Standmikrofons raten müssen. Dass Fractal dem Scape gleich zwei Mikrofonlösungen spendiert, macht uns also hellhörig. Neben einem abnehmbaren Boom-Mikrofon mit flexiblem Arm gibt es noch ein integriertes omnidirektionales Kapsel-Mikrofon in der Ohrmuschel, mit dem das schlichte Headset auch als Bluetooth-Kopfhörer für Telefonate unterwegs interessant wird.
Vergleich mit anderen Headsets
Und die beiden Optionen können sich wirklich hören lassen: Das Boom-Mikrofon liefert insgesamt eine sehr klare Sprachqualität, mit gut verständlichen und natürlich klingenden Stimmen. Hintergrundgeräusche wie Tastaturanschläge werden effektiv herausgefiltert, ohne dass dabei fälschlicherweise Stimmfetzen verschluckt werden. Sehr komfortabel ist auch die Stummschaltung, wahlweise per Mute-Taste direkt am Headset oder durch Hochklappen.
Beim Discord-Voicechat mit Freunden fiel das Mikrofon des Scape allerdings anfangs sehr leise aus. Eine manuelle Pegelanpassung löste das Problem, das auch mit der Bauart des biegsamen Mikrofonarms zusammenhängt. Dieser ist zwar flexibel beweglich, schnellt jedoch schnell in seine Ausgangsposition zurück und kann nicht wirklich nah vor dem Mund platziert werden.
Wird das Boom-Mikrofon entfernt, übernimmt sofort das integrierte Mikrofon. Die Sprachqualität ist auch hier überraschend gut – allerdings fehlt eine aktive Geräuschunterdrückung, sodass aufgrund der omnidirektionalen Richtcharakteristik Tastengeräusche oder sogar der Staubsauger zwei Räume weiter deutlich hörbar sind.

In der Software lässt sich ein Sidetone aktivieren und justieren – was grundsätzlich praktisch ist, allerdings funktionierte die Einstellung zum Testzeitpunkt noch nicht zuverlässig. Auch die abschaltbare Mikrofon-Rauschunterdrückung zeigte noch keine Auswirkung. Zum Marktstart des Fractal Scape sollten beide Funktionen aber funktionieren.
Fractal Scape im Video-Review
Fazit: Fractal Scape Gaming-Headset überzeugt im Test
Mit dem Fractal Scape will der Hersteller nicht nur den Eintritt in einen neuen Markt wagen, sondern gleich eine ganz neue Zielgruppe ansprechen, die ein stilvolles Gaming-Setup anstelle der üblichen Gaming-Ästhetik suchen. Optisch ist dieser Ansatz definitiv erkennbar, doch auch die sonstigen Features können sich sehen und hören lassen.
Das Scape überzeugt mit einem starken Klang, komfortabler Lademöglichkeit und gleich zwei sehr guten Mikrofon-Optionen. Auch die Bedienung ist hervorzuheben, da sie sowohl durch die vielen, intuitiv gestalteten Tasten am Gerät und die web-basierte Software ohne Download sehr anwenderfreundlich gestaltet ist.
Schwächen offenbaren sich vor allem beim Tragekomfort, da der zu dünn gepolsterte Kopfbügel trotz bequemer Ohrpolster bereits nach wenigen Stunden unangenehm drückt. Schade ist auch die versäumte Implementierung von simultaner Wiedergabe über eine Bluetooth- und eine 2,4-GHz-Audioquelle. Hier wird Fractal technisch von Konkurrenten wie dem JBL Quantum 910 oder dem Asus ROG Delta II abgehängt – kann sich letzten Endes aber durch sein schlichtes Design deutlich von beiden abgrenzen.
Mit 200 Euro UVP ist das Fractal Scape kein Schnäppchen, doch immerhin wird hier einiges fürs Geld geboten, ohne dass wir allzu viel Kritik anbringen müssen.
Pro
- gute Klangqualität
- sehr gutes Boom-Mikrofon
- zusätzlich integriertes Mikrofon
- Beleuchtung optional (wichtige LED-Signale bleiben erhalten)
- viele praktische Bedienelemente direkt am Gerät
- Browser-Anwendung statt Software-Download
Contra
- Kopfbügel drückt bei längerer Nutzung
- keine simultane Bluetooth- und Dongle-Wiedergabe
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