Xiaomi 12 Pro im Test: Der richtige Kompromiss?

Stark in den Hauptdisziplinen, schwach in den Details

Mehr als 1.000 Euro ruft Xiaomi für sein aktuelles Flaggschiff-Smartphone auf. Zurecht? Wir haben das neue Xiaomi 12 Pro auf die Probe gestellt und im Alltag ausführlich für euch getestet.

Das Xiaomi 12 Pro ist das wohl derzeit beste Smartphone des chinesischen Technikgiganten am Markt und muss sich mit seinem vierstelligen Preispunkt nach dem Launch in Europa schon einiger harter Konkurrenz wie dem Oppo Find X5 Pro (Testbericht), dem Samsung Galaxy S22 Ultra oder auch dem Google Pixel 6 Pro (Testbericht) stellen. Ob Xiaomi die großen Fußstapfen ausfüllen kann, die die Topmodelle im letzten Jahr hinterlassen haben, soll dieser Testbericht zeigen.

Preislich startet das Smartphone für 1.049,90 Euro UVP mit 8+256GB Speicher, die Topkonfiguration mit 12+256GB Speicher (also nur mehr Arbeitsspeicher) kostet rund 100 Euro Aufpreis – und somit 1.149,90 Euro UVP. Laut Preisvergleich geht ist das Xiaomi 12 Pro schon ab 881 Euro erhältlich. Im Lieferumfang befinden sich ein 120 Watt HyperCharge-Netzteil, ein USB-A zu USB-C Kabel sowie eine transparente Schutzhülle.

Design & Verarbeitung

Das Xiaomi 12 Pro präsentiert sich äußerlich sehr unaufgeregt, fast schon schüchtern. Die Rückseite ist nicht mehr glänzend, sondern matt, aber weiterhin aus Glas gefertigt. Durch das körnige Finish kommt allerdings eher der Eindruck von Kunststoff auf, was sich sicherlich nicht nur auf das von uns getestete graue (neben dem hellblauen und pinken) Modell beschränkt.

Ähnliches gilt für den dunkleren, aber genauso matten Aluminiumrahmen. Einzelne Fingerabdrücke steckt die Oberfläche aber gut weg.

Auf der Rückseite fällt aber besonders das große, hervorstehende Kameramodul in der linken oberen Ecke ins Auge. Darin thront der riesige Hauptsensor der Weitwinkelkamera, die offenbar so viel Platz benötigt, sodass sie sich ein weiteres Stück über dem Segment erheben muss. An der Kante der Linse sowie denen des ganzen Moduls sammelt sich in der Folge gerne Staub, der sich nur mit einigem Fingerspitzengefühl entfernen lässt.

Display

Der AMOLED-Bildschirm des Xiaomi 12 Pro ist ohne Frage einer der fortschrittlichsten in der Smartphonebranche. Trotz seiner Diagonale von 6,73 Zoll liegt es auch wegen des schmalen Seitenverhältnisses von 20:9 komfortabel in der Hand. Obwohl das Xiaomi 12 Pro sogar ein ganzes Stück größer als das Geschwistermodell Xiaomi 12 ist, ist es sogar kleiner als das normale Xiaomi Mi 11 (Testbericht). Das Xiaomi Mi 11 Pro wiederum war genauso groß wie das Xiaomi Mi 11. Dadurch stellt der Hersteller in diesem Jahr seine Kunden bei Entscheidung zwischen Xiaomi 12 und Xiaomi 12 Pro nicht nur vor eine Wahl der Leistung, sondern auch der präferierten Größe.

Der Screen des Xiaomi 12 Pro ist ähnlich brillant wie der des Xiaomi 12, aber mit einer höheren Auflösung. Hier bleiben keine Wünsche nach mehr Schärfe offen. Farben wirken angenehm gesättigt und auch die maximale Helligkeit ist beeindruckend, so kann der Bildschirm selbst unter direkter Sonneneinstrahlung noch gut abgelesen werden.

Laut Xiaomi soll der Bildschirm eine Helligkeit von bis zu 1.500 nits „peak“ erreichen (1000 nits typisch). Mit einem X-rite i1 Display-Profiler konnten wir maximal 1.150 nits bei 20 % APL (Weißanteil) erreichen, mit vollständiger Weiß-Darstellung (100 % APL) waren bis zu 870 nits möglich. Diese Werte reichen zwar nicht ganz an die exzellenten Displays von Samsung heran, sind aber dennoch erste Sahne was Helligkeit und Bildqualität angeht.

Dank LTPO-Panel kann die Bildwiederholrate bis zu 120 Hz betragen, die in Spielen und beim Scrollen als bemerkenswert flüssig auffallen. Bei weniger Bedarf kann das Panel jedoch auch auf bis zu 1 Hz herunterregeln. Das soll sich positiv auf die Akkulaufzeit auswirken, zu der wir später noch ein paar Worte verlieren. Festzuhalten ist aber, dass der Wechsel zwischen den verschiedenen Frequenzen vom Nutzer völlig unbemerkt vonstattengeht.

Der Bildschirm des Xiaomi 12 Pro nimmt fast die gesamte Fläche der Vorderseite in Anspruch, lediglich an Ober- und Unterseite sind unauffällige schwarze Rahmen übrig geblieben. An der Optik hat Xiaomi im Gegensatz zum Vorgänger auf den ersten Blick also praktisch nichts verändert. An den Seiten ist der Bildschirm gebogen, ragt jedoch nicht so weit über, sodass man ihn aus Versehen beim Halten in einer Hand berühren könnte.

Leistung & Speicher

Als eines der ersten Smartphones der Welt, angetrieben vom Qualcomm Snapdragon 8 Gen 1, muss sich das Xiaomi 12 Pro in Sachen Leistung definitiv nicht verstecken. Der aktuelle Top-SoC des Chipherstellers ist „State of the Art“ dank Vier-Nanometer-Fertigung und einer maximalen Taktrate von 3 GHz des Prime-Kerns.

ModellXiaomi 12XXiaomi 12Xiaomi 12 Pro
Bildschirmgröße6,28 Zoll6,28 Zoll6,73 Zoll
ProzessorSnapdragon 870Snapdragon 8 Gen 1Snapdragon 8 Gen 1
Akku4.500 mAh4.500 mAh4.600 mAh
Ladetechnik67 W per Kabel + 50 W Wireless67 W per Kabel + 50 W Wireless120 W per Kabel + 50 W Wireless
Kamera50 MP Haupt + 13 MP Ultraweit + 5 MP Telemakro | 32 MP Selfie50 MP Haupt + 13 MP Ultraweit + 5 MP Telemakro | 32 MP Selfie50 MP Haupt + 50 MP Ultraweit + 50 MP Telephoto | 32 MP Selfie

Diese Leistung kommt aber wohl auch im Jahre 2022 noch mit einem Preis, der nicht nur in Geld zu bezahlen ist. Denn mehr als nur eine einzige Runde irgendeines Games wird schnell von einer spürbaren Wärmeentwicklung begleitet, die am ehesten über den Metallrahmen abgeführt wird. Dem Xiaomi 12 Pro fehlt aufgrund des schmalen Gehäuses wohl auch verständlicherweise der Platz für eine ausgeklügelte Lösung dieses Problems.

Xiaomi stellt dem Chip wahlweise 8 oder 12 GB RAM zur Seite, das Plus an Arbeitsspeicher schlägt bei der UVP mit 100 Euro mehr zu Buche. In beiden Fällen gibt es dann 256 GB flotten UFS 3.1 Speicher, dieser kann aber – wie mittlerweile bei Topmodellen üblich – nicht per microSD erweitert werden.

Akku & Laden

Der Akku des Xiaomi 12 Pro ist laut Datenblatt 100 mAh größer als der im Xiaomi 12, das wird aber nicht das überzeugendste Verkaufsargument sein. Spannender sind nämlich die 120 (statt 67 Watt), mit denen der Stromspeicher wieder aufgetankt werden kann. In unter 20 Minuten kann der Akku mit dem mitgelieferten Netzteils von 0 auf 100 Prozent gebracht werden, wodurch sich im Alltag endlich völlige Unabhängigkeit von der Steckdose eröffnet. Schnell stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch eine Steigerung der Ladeleistung benötigt. Realme hat diese Marke aber beispielsweise schon mit dem Realme GT Neo 3 und bis zu 150 Watt übertroffen.

Kabellos kann Strom mit bis zu 50 Watt übertragen werden, außerdem unterstützt das Xiaomi 12 Pro Reverse Charging. Gadgets wie Smartwatches, True-Wireless-Speaker oder theoretisch sogar andere Smartphones kann so etwas vom Akku abgegeben werden. Mit einem iPhone 13 Pro Max brach das kabellose Laden im Test nach ein paar Sekunden allerdings immer wieder ab.

Die Akkulaufzeit haben wir mit dem PC Mark Work 3.0 Battery Benchmark gecheckt. Hier hält das Xiaomi 12 Pro in unserem Testszenario (300 nits fixierte Helligkeit, adaptive 120 Hz, max. Auflösung, WLAN + GPS aktiv) für 6 Stunden und 47 Minuten durch, ehe die Restladung noch 20 % beträgt. Ein Ergebnis, das im Vergleich zu einem Oppo Find X5 Pro (9 Stunden, 16 Minuten), OnePlus 10 Pro (8 Stunden, 47 Minuten) oder einem Samsung Galaxy S22 Ultra (8 Stunden, 8 Minuten) eher unterdurchschnittlich ausfällt.

Kamera

Auf die Kamera bildet sich Xiaomi schon in der Ankündigung des Smartphones einiges ein. Es ist auch wahrscheinlich das am schwersten wiegende Argument, für das Xiaomi 12 Pro anstelle des normalen Xiaomi 12 tiefer in die Tasche zu greifen. Das Xiaomi 12 Pro sollte aus dem eigenen Haus schließlich auch nur vom Xiaomi 12 Ultra übertroffen werden, falls wir überhaupt noch mit einem Release (und dann auch noch in Deutschland) rechnen dürfen.

Beim Xiaomi 12 Pro bietet nicht nur wie beim Xiaomi 12 der Hauptsensor eine Auflösung von 50 MP, damit warten auch die sekundären Sensoren von Ultraweitwinkel und Telefoto auf. Außerdem ist der Hauptsensor mit 1/1,28 Zoll gegenüber 1/1,56 Zoll ein ganzes Stück größer, was sich positiv auf die Lichtaufnahme auswirken dürfte. Solange man nicht explizit die entsprechende 50-MP-Funktion in der Kameraapp auswählt, kommt allerdings das übliche Pixel-Binning zum Einsatz, sodass Bilder effektiv eine Auflösung von 12,5 MP aufweisen.

Beispielfotos und Kameraeindruck

Sowohl tagsüber bei Sonnenschein als auch nachts kann die Hauptkamera mit satten Farben und feinen Strukturen punkten. Die recht große f/1.9-Blendenöffnung spiegelt sich in ästhetischer Tiefenunschärfe wider. Die minimale Fokusdistanz der Weitwinkellinse könnte jedoch etwas weiter sein, sodass man bei Nahaufnahmen das Smartphone immer wieder etwas vom Objekt wegbewegen muss.

Im Gegensatz zu vergleichbaren Top-Smartphones bietet die Telekamera nur eine zweifache, verlustfreie Vergrößerung. Hier hätte es ruhig ein dreifacher oder noch stärkerer Zoom sein können. Unterm Strich ist der Telefoto eher für den Sprint als die Langstrecke geeignet. Weit entfernte Dinge holt er aufgrund der doch eher geringen Brennweite nicht sonderlich nah heran, dafür punktet er bei Motiven, die sich ohnehin direkt vor der Linse befinden. Hier fällt die minimale Fokusdistanz positiv auf, denn wo der Weitwinkel auf ein nahes Objekt scharfstellen kann, schafft es der Zoom auch und ermöglicht dadurch detailreichere Aufnahmen.

Im Porträtmodus wechselt die Kamera automatisch auf den Zoom, was durchaus Sinn ergibt. Mangels Tiefensensor wird das cremige Bokeh ausschließlich künstlich produziert, das bei lockigeren Frisuren auch gerne mal daneben liegen kann.

Bei schlechten Lichtverhältnissen kann der Ultraweitwinkel gerade noch so mit seinen Geschwistern mithalten, bei Dunkelheit wird er jedoch völlig abgehängt. Da kann nur noch die softwareseitige Aufhellung Abhilfe schaffen, wodurch Motive zwar wieder erkennbar werden, aber nicht unbedingt schön aussehen. Der Nachtmodus schaltet sich im Übrigen automatisch ein und muss nicht separat aktiviert werden.

Die Frontkamera in der mittig im Display platzierten Punchhole bietet beim Xiaomi 12 Pro eine Auflösung von 32 MP gegenüber den 16 MP im Xiaomi 12. In der Folge sehen Selfies zumindest bei ausreichend Licht in der Umgebung gerade im Porträtmodus professionell aus. Trotz der vielen Pixel werden echte Vlog-Fanatiker vielleicht die Möglichkeit zur Aufnahme von 4K-Videos vermissen.

Um noch ein paar Worte zu den Videofähigkeiten der rückwärtigen Kameras zu verlieren: Mit der Hauptkamera sind theoretisch Aufnahmen mit bis zu 8K-Auflösung bei maximal 24 FPS möglich, bei 4K sind es immerhin bis zu 60 FPS und bei Full-HD bis zu 960 FPS für besonders langsame Slowmo-Clips. Exklusiv beim Weitwinkel ist eine optische Bildstabilisierung verfügbar, die bereits einen guten Job erledigt, jedoch noch digital verstärkt werden kann. Vor allem beim Autofokus hat Xiaomi einen guten Job gemacht, der schnell zwischen den jeweiligen Objekten wechseln kann.

Sonstiges

Gleich zwei Lautsprecherschlitze haben die Chinesen dem Xiaomi 12 Pro spendiert, sodass im Landscapemodus der Sound aus beiden Richtungen schallt. Ganze Alben möchte man damit wahrscheinlich nicht hören, ein paar Folgen der Lieblingsserie erträgt man aber durchaus. Auch die maximale Lautstärke fällt positiv auf.

Das Xiaomi 12 Pro ist natürlich sowohl mit einem Fingerabdrucksensor unter dem Bildschirm sowie einem Gesichtsscanner ausgestattet. Beide sind nicht so sicher und modern wie sie sein könnten (etwa Ultraschall- statt optischem Verfahren beim Fingerscan), reagieren aber zuverlässig und schnell. Selbst bei absoluter Dunkelheit wurde ich als Nutzer in nur wenigen Augenblicken erkannt.

Ausgeliefert wird das Xiaomi 12 Pro mit der hauseigenen Oberfläche MIUI 13, die man lieben oder hassen kann. Als Basis dient das (noch) aktuelle Android 12, wobei der Hersteller für sein Topmodell immerhin drei große Updates verspricht. Ob das Versprechen auch eingehalten wird, bleibt abzuwarten – in der Vergangenheit bekleckerte sich Xiaomi hier nicht unbedingt mit Ruhm. Zwar lassen sich die vorinstallierten Werbeapps wie Amazon, Facebook und Co. problemlos deinstallieren, dennoch hinterlässt es einen etwas bitteren Beigeschmack, dass der Hersteller ein Über-1.000-Euro-Smartphone auf diesem Weg subventionieren muss.

Fazit

In den Hauptdisziplinen ist das Xiaomi 12 Pro ein Top-Gerät, keine Frage. Am Bildschirm gibt es rein gar nichts auszusetzen, Performance und Speicher sind kaum zu toppen und bei der Akkuladegeschwindigkeit setzt Xiaomi Meilensteine. Auch die Kamera kann mit ihrem dreifachen 50-MP-Setup durchaus mit der Konkurrenz mithalten. Dieser Tage ein Pro-Smartphone zu sein, das guten Gewissens einen Preis von über 1.000 Euro aufrufen kann, bedeutet aber vielleicht noch mehr als das.

Zu dieser Summe können Käufer etwa auch einen neueren USB-Standard, Ultra-Wideband (das in Zukunft sicherlich noch wesentlich wichtiger wird) oder eine IP68-Zertifizierung erwarten. Das sind Dinge, die man in einem günstigeren Pixel 6 Pro (Testbericht) etwa bekommen kann, wenngleich dieses vom Xiaomi 12 Pro in anderen Aspekten übertroffen wird. An irgendeiner Stelle musste Xiaomi aber wohl doch Kompromisse eingehen.

Pro

  • fast konkurrenzlose Leistung
  • scharfes, helles, flüssiges Display
  • Akku schnell wieder voll
  • vielseitige Kamera mit guter Qualität bei Tag und Nacht
  • hochwertige Verarbeitung

Contra

  • Akkulaufzeit ausbaufähig
  • keine IP68-Zertifizierung
  • kein UWB
  • nur maximal zweifacher Zoom
  • Etwas viel Bloatware-Apps für diese Preisklasse
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Jonathan Kemper

... ist fertig studierter Technikjournalist und Techblogger seit rund einem Jahrzehnt.

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