Zwar berichten wir gerade für euch vom Mobile World Congress 2022 in Barcelona, doch angesichts der aktuellen Situation in der Ukraine möchten auch wir – mit Dank an die Kollegen von Heise – den Leitfaden zu Themen wie Spenden, VPN und Flüchtlingshilfe teilen. Der Beitrag wurde unter der Creative-Commons-Lizenz (CC BY 4.0) veröffentlicht und ist in mehreren Sprachen verfügbar.
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Kommunikation ist in Krisensituationen alles – und das schließt auch die menschliche Zuwendung ein. Das Gefühl, nicht allein zu sein, ist für die Bewältigung von solchen Situationen entscheidend. Es ist wichtig, um Motivation zu erhalten oder überhaupt erst aufzubauen. Das klappt bei persönlichen Beziehungen nur, wenn beide Seiten dem verwendeten Medium auch trauen können.
Das geht heute am einfachsten über verschlüsselte Messenger, die nicht in der Hand von Großkonzernen liegen. Und auch wenn Telegram trotz seiner wechselhaften Historie in der Ukraine der beliebteste Messenger zu sein scheint – er ist nicht vollständig verschlüsselt. Gruppenchats sind grundsätzlich nicht verschlüsselt, werden auf Servern gespeichert und sind auch per Browser abrufbar. Und im Falle des zwar verschlüsselten WhatsApp gehört dieser Dienst zur Infrastruktur von Facebook – im Falle von Cyberangriffen dürfte die das erste Ziel sein, weil sich damit auch WhatsApp und Instagram stilllegen lassen.
Wir empfehlen als Alternativen dazu entweder Signal oder Threema. Beide sind Ende-zu-Ende-verschlüsselt und ebenso einfach zu bedienen wie andere Messenger. Ein ausführlicher Test zeigt die Unterschiede und Vor- und Nachteile.
Kostenlose Anrufe und SMS in die Ukraine
Natürlich sind solche Kommunikationswege davon abhängig, dass es noch irgendeinen Zugang zum Internet gibt. Solange es keine großangelegten Cyberangriffe gibt, ist davon aber auszugehen. Davon können durch die durchgehende IP-Vernetzung auch Mobilfunkprovider betroffen sein. Bis dahin gilt: Telefon und SMS ist immer noch die zuverlässigsten und einfachsten Anwendungen. Folglich haben in Deutschland die Telekom und Vodafone beide Dienste vorerst kostenfrei gestellt, in Österreich machen, Drei und Magenta sowie A1 samt Submarken mit.
Wenn man sich nicht auf einen Messenger oder anderen Dienst einigen kann oder die entsprechenden Geräte nicht zur Verfügung stehen, gibt es freie Dienste für Videokonferenzen, an denen sich nur mit Ton auch per Telefon teilnehmen lässt. Ein solcher ist das deutsche Projekt Senfcall, das sich durch Spenden finanziert, datensparsam arbeitet, und auf der Open-Source-Software Big Blue Button basiert. Wer solche Dienste regelmäßig nutzt, sollte auch seinen finanziellen Beitrag dazu leisten.
Vertrauenswürdige Informationsquellen
Zur heutigen hybriden Kriegsführung gehört auch die gezielte Desinformation und das Ersticken von Diskursen mit einer Flut von irreführenden Posts in allen möglichen öffentlichen Foren. Dass russische Bots und Troll-Armeen kein Mythos sind, zeigte kürzlich der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Wie Thomas H. Kaspar auf Twitter berichtet, stieß sein Community-Team an das Löschlimit von Facebook: Mehr als 10.000 Kommentare zu Posts der Redaktion waren binnen Stunden eingegangen. Solche Angriffe sind häufig von Dauer, später folge eine Welle von Bots auch auf anderen Social-Media-Kanälen der Funke-Gruppe.
Daher ist es wichtig, in dynamischen Nachrichtenlagen verlässliche Quellen zu nutzen. Vor allem auf Twitter stellen freie und fest angestellte Journalisten viele ungefilterte Informationen in Echtzeit zur Verfügung. Der deutsche Journalist Philip Banse (Podcast: „Die Lage der Nation“) hat dazu eine Liste namens „Osteuropa“ zusammengestellt, in der Journalisten, NGOs und Wissenschaftler sich äußern.
Wer den internationalen Überblick schätzt und auch Nachrichten in Fremdsprachen versteht sowie weiterleiten möchte, findet ebenfalls auf Twitter eine Übersicht der Accounts der Deutschen Welle. Deren Nachrichten sind auch auf Russisch und Ukrainisch verfügbar.
Der Blick des Auslands kann für eine eigene Einschätzung helfen. Stellvertretend seien hier der Liveticker der BBC zur Ukrainekrise sowie das Gegenstück von CNN genannt. Beide bieten insbesondere in Hinblick auf die Finanzwirtschaft Einblicke über den Tellerrand der EU hinaus.
Bei jedem Umgang mit Nachrichten in Form von Text oder Videoschnipseln gilt es, die Quelle und deren Intention im Hinterkopf zu behalten. Techniken für das Erkennen von Fakes und Desinformation bieten die beiden c’t-Artikel Fakt oder Fake und Nix mit Fake.
Bei allen Quellen in sozialen Netzwerken lässt sich ein Großteil der Bots und Polit-Trollen leicht erkennen: In der Regel sind die Accounts recht neu und posten identische Beiträge in vielen Gruppen und auch anderen Netzen. Ebenso ist die Verwendung von immergleichen und teils mit drastischen Bildern und Texten versehenen Memes verdächtig. Nicht nur sollte man auf solche Desinformation nicht hereinfallen, es gilt vor allem, sie nicht weiterzuverbreiten und über die Meldefunktionen der Netzwerke eine eventuelle Löschung anstoßen.
VPN gegen staatliche Zensur
Wenn sich, zum Beispiel durch staatliche Einschränkungen, seriöse Quellen nicht abrufen lassen, helfen virtuell-private Netzwerke, alias VPNs. Diese leiten die Zugriffe so um, dass sie aus einem anderen Land zu kommen scheinen und umgehen auch DNS-Sperren und andere Versuche, den Fluss von Informationen zu kontrollieren. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Anbieter NordVPN (Test) gemacht sowie dem finnländischen Dienst Freedome von F-Secure. Weitere Dienste, eine Funktionsübersicht und direkte Links zu den Anwendungen finden sich bei Heise Download.
Ein VPN bietet sich vor allem für Menschen in der Ukraine an. Wer dort journalistisch oder für eine NGO arbeitet, sollte unbedingt ein stabiles VPN mit vielen auf der Welt verteilten Servern und Zugangspunkten verwenden. Auch das Abfangen von Kommunikation oder schlimmer noch deren Manipulation lässt sich dadurch für Angreifer erschweren.
Hilfe für Flüchtlinge
Wer sich nicht nur informieren, sondern auch praktische Hilfe leisten will, denkt vielleicht zuerst an Spenden. Da mit einer großen Zahl von Flüchtlingen zu rechnen ist, sind die entsprechenden Organisationen dafür die erste Anlaufstelle. So gibt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, schon jetzt an, dass 100.000 Menschen aus der Ukraine das Land verlassen wollen. Die UNHCR hat dafür bereits erste Hilfsaktionen gestartet und bittet um Spenden.
Da die Eskalation des Konflikts absehbar war, haben auch die Caritas und die Malteser konkrete Hilfsaktionen vorbereitet. Die Links führen zu Seiten der jeweiligen Programme. Ein organisationsübergreifende Spendenmöglichkeit bietet das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe.
Abseits von Spenden ist es auch möglich vor Ort in Deutschland Hilfe zu leisten. In vielen Städten gibt es dafür eigene Organisationen, deren Auflistung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Wenn es zum Eintreffen von vielen Flüchtlingen in Deutschland kommen sollte, ist dort praktische Arbeit gefragt. Ebenso kann es sich lohnen, die Kommunen und Kommunalpolitiker jetzt schon zum Beispiel über ihre Bürgerbüros zu fragen, ob die Gemeinde vorbereitet ist und Hilfe anzubieten. Ein Beispiel sind spontane Hilfsangebote in Ankunftszentren, wie sie unter anderem das Land Berlin schon bietet.
Schlecht verifizierbar sind von jedermann editierbare Ressourcenlisten, die Hilfsangebote und praktische Tipps zur Flucht aus der Ukraine enthalten. Sie werden in sozialen Netzwerken unter anderem per Google Docs verteilt. Ein Beispiel dafür verlinken wir hier unter Vorbehalt – der Inhalt kann sich jederzeit ändern. Wir haben die Angaben stichprobenartig überprüft, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels waren sie korrekt. Im Zweifel sollte man zumindest nachsehen, von wem die letzten Änderungen stammen und die zugehörigen Social-Media-Accounts prüfen. Auch Falschinformationen per SMS wurden schon beobachtet. Bei jeder Kontaktaufnahme durch Unbekannte ist Vorsicht angesagt, vor allem sollte man keinesfalls Links in solchen Nachrichten anklicken.
Unterstützung für Verwandte und Freunde in der Ukraine
Wie eingangs erwähnt ist Kommunikation alles. Wer indirekt betroffen ist und sich um seine Lieben sorgt, sollte jedoch darauf achten, die emotionale Ausnahmesituation nicht noch schlimmer zu machen. Nicht jeder Nachrichtenschnipsel über die jüngsten Entwicklungen muss geteilt werden. Die Belastungsgrenzen von Menschen sind unterschiedlich, und wenn jemand nach Informationen fragt, ist die Gegenfrage legitim: Warum möchtest Du das wissen? Natürlich soll man Angehörigen nichts vorenthalten, aber es ist sinnvoll, vorher einen Rahmen abzusprechen, in dem man sich gegenseitig unterstützen kann.
Gleiches gilt auch für die Glücklichen, die den Krieg nur aus der Ferne betrachten können. Es ist völlig in Ordnung sich ein paar Stunden oder einen Tag aus dem News-Gewitter zu entfernen und analog den Prinzipien des Digital Detox auch etwas Nachrichtenentgiftung zu betreiben.
Wenn alle Stricke reißen
Im schlimmsten Fall ist eine geliebte Person in Kriegsgebieten nicht mehr erreichbar. Auch dann gilt, so schlicht das klingt: Ruhe bewahren und nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen. Mobilfunk- und Festnetzwerke können ausfallen, überlastet sein oder von Angreifern gestört werden. Sollte der Kontakt über länger Zeit abreißen oder es durch seriöse Berichte über Angriffe auf den Ort des Vermissten konkreten Grund zur Sorge geben, kann der Suchdienst des Roten Kreuzes helfen.
Die Organisationen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds sind international vernetzt und erfahren in der Suche nach Vermissten. Ebenso verfügen sie über das Mittel der Rotkreuz-Nachrichten (Red Cross Message, RCM), die auch beispielsweise in Gefängnisse zugestellt werden können. Die Hilfsorganisationen können zudem, wenn technisch möglich, auch Videokonferenzen durchführen, wenn die vermisste Person endlich gefunden ist.
Dieser Text steht unter der Lizenz CC BY 4.0
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