Die Leica M-Serie ist vor allem für ihren Messsucher bekannt, besitzt also einen optischen Sucher mit Scharfeinstellhilfe. Der neuen Leica M EV1 spendiert der deutsche Kameraspezialist allerdings erstmals einen elektronischen Sucher und schlägt damit ein neues Kapitel für die traditionsreiche Kameraserie auf. Doch warum vereint Leica diese „beiden Welten“? Und wer soll damit angesprochen werden?
In den Kamera-Foren dieser Welt wird sicherlich hitzig darüber diskutiert, dass Leica es „wagt“, einer M-Kamera den Messsucher wegzunehmen. Andere Kamera-Enthusiasten haben wohl schon lange darauf gewartet, dass Leica diesen Schritt endlich geht – denn mit einem EVF („electrical view finder“) wird vor allem der Einstieg in die Fotografie mit der M-Reihe erleichtert.
Leica setzt dabei auf den EVF der Leica Q3 mit 5,76 Millionen Pixeln, einer 0,76-fachen Vergrößerung und einer 100%-igen Bildfeldabdeckung. Ein Näherungssensor schaltet dabei automatisch zwischen dem rückseitigen 2,95 Zoll Touchdisplay, welches mit Gorilla Glass geschützt ist, und dem EVF um. Für Brillenträger ist ein Dioptrienausgleich von -4 bis +2 integriert.
Was ist ein Messsucher? Und ist ein „EVF“ besser?
Ein Messsucher ist ein rein optisch-mechanisches System zur Entfernungsmessung, das auf dem Prinzip der Triangulation basiert. Anders als bei einer Spiegelreflexkamera blickt der Fotograf nicht durch das Objektiv, sondern durch ein separates Sucherfenster. Dort wird über ein zweites, seitlich versetztes Fenster ein zusätzliches, kleineres Bild des Motivs eingespiegelt. Der Fokus ist erst dann getroffen, wenn beide Bilder (das Hauptbild und das eingespiegelte Bild) perfekt deckungsgleich übereinanderliegen.

Der Bildausschnitt selbst wird durch eingeblendete Leuchtrahmen angezeigt, die sich je nach aufgesetztem Objektiv ändern. Bei einem EVF hingegen, also einem elektronischen Viewfinder in Form eines „Displays“, gibt es hingegen eine direkte Vorschau des Bildes. Man sieht das Bild im Sucher exakt so, wie es der Sensor aufnehmen wird, inklusive der eingestellten Blende und Belichtung.
In diesem Video von David Imel wird die Technik hinter dem Messsucher sehr verständlich erklärt:
Dies ermöglicht eine präzise Echtzeit-Belichtungsvorschau und gibt volle kreative Kontrolle über Unter- oder Überbelichtung. Zudem ist das Fotografieren mit Ultraweitwinkel- und Makroobjektiven nun besser möglich, da die Naheinstellgrenze beim Messsucher technisch bedingt bei knapp 70 Zentimetern liegt. Gläser wie die Summilux- oder Noctilux-Reihe können daher noch präziser scharfgestellt werden.#
Fokus Peaking als Hilfestellung zum Fokussieren
Apropos Scharfstellen: Mit Fokus-Peaking, bei dem der Schärfebereich farblich hervorgehoben wird, und einer 2-stufigen Fokus-Lupe zum feinen Nachjustieren, stehen zwei Hilfsmittel zur Verfügung. Der kleine Hebel neben dem Objektiv vorn kann dafür zum Beispiel genutzt werden und alternativ den digitalen Zoom aktivieren (1,3x und 1,8x).
Einziger Wermutstropfen: Durch den Platz für den EVF musste leider das ISO-Einstellrad weichen (wäre mir jetzt nicht so wichtig, da fokussiere ich mich eher auf die Verschlusszeit). Darüber hinaus fällt aber auch das optische „Durchschauen“ zum Komponieren eines Bildes weg. Ob das einen Einfluss auf das Endergebnis hat, muss jeder für sich entscheiden – ich wechsle bei meiner Fuji X100V durchaus öfter zwischen dem optischen und elektronischen Sucher.
Technische Basis: Leica M11 mit 60 MP Vollformat
Als Basis setzt Leica auf die Plattform der M11. Hierbei kommt ein BSI-CMOS-Vollformatsensor mit 60,3 Megapixel Auflösung und einer ISO von 64 bis 50.000 zum Einsatz. Fotos lassen sich dabei wahlweise mit 60, 36 oder 18 Megapixeln aufnehmen und sowohl in JPG- als auch DNG-Format abspeichern. Der Verschluss setzt dabei auf einen mechanischen Schlitzverschluss (1/4000s bis 60 min), der dank „elektronischer Funktion“ sogar Belichtungszeiten bis 1/16.000s ermöglicht.

Für die Datenverarbeitung ist ein Maestro III Chip verantwortlich, mit dem auch Serienaufnahmen mit bis zu 4,5 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden können. Diese landen dann wahlweis auf dem 64 Gigabyte großen internen Speicher oder einer SD-Karte (max. 2 TB). Mit 3 GB Pufferspeicher lassen sich darauf auch Serien von bis zu 15 RAW-Aufnahmen oder 100 JPG-Aufnahmen ablegen.
Beim Thema Echtheit von Fotos ist Leica übrigens ganz vorne mit dabei: Dank Content Credentials werden Fotos mit einer digitalen Signatur versehen, die besonders in Zeiten von KI-Bildgeneratoren ein wichtiges Merkmals für die Originalität eines Fotos ist. Übertragen lassen sich die Fotos dann auf Wunsch auch mit der Leica-App, die auf WLAN und Bluetooth 5.0 zurückgreift.
Edles Design, handgefertigt in Deutschland!
Verpackt ist die Technik in einem hochwertigen Gehäuse, gefertigt in Deutschland aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung und bezogen mit Kunstleder im Rautenmuster. Damit reiht sich die neue Leica M EV1 natürlich in die puristische Formsprache der M-Serie ein. Meines Empfindens nach hätte das rote Leica-Logo aber durchaus an den Rand wandern können – eben da, wo vorher der Messsucher platziert war.
MeinungLeica wagt den Spagat – und er könnte gelingen! Während Puristen weiterhin die M11-D (ohne Display) oder die analoge M6 wählen können, ist die M EV1 ein logischer und mutiger Schritt. Sie öffnet das M-System mitsamt ihrer Objektive für eine neue Generation von Fotografen, denen ein EVF vertrauter ist als ein Messsucher. Leica positioniert die M EV1 klug als Erweiterung, nicht als Ersatz.
Leonardo Ziaja
Die Leica M EV1 ist ab sofort in Leica-Geschäften, im Leica Online-Store sowie bei autorisierten Fachhändlern verfügbar. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 7.950 Euro. Ein optionaler Handgriff mit passender Belederung kostet 395,00 Euro.
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Schade, dass Sie hier keine kritischen Kommentare zulassen, denn weder bin ich ein „robot“, noch schreibe ich mit „autocomplete“. Ich stehe hier lediglich als Leica-Fotograf mit meinem realen Namen und ohne lächerliches Pseudonym zu meinem Wort. Aber bitte, dann eben nicht.
Natürlich sind hier kritische Kommentare zugelassen, jede Person darf ihre Meinung öffentlich kundtun. Und das haben Sie mit ihrem Kommentar jetzt ja auch gemacht. Viele Grüße, Leonardo Ziaja
Interessante Kamera. Leider gibt es sie bisher nur in diesem hässlichen Schwarz.Wird es sie vielleicht irgendwann auch in Silber geben?