Xiaomi Mi 10 im Test: Technische Evolution mit Preis-Eskalation

Wie ist das Preis-Leistungs-Verhältnis des Handys?
Der Flaggschiff-Killer ist tot, lang lebe das Flaggschiff. Mit der Mi 10-Serie dreht auch Xiaomi nun ordentlich an der Preisschraube und möchte endgültig im High-End-Segment mitspielen. Ob das Xiaomi Mi 10 sein Geld wert ist und welche Verbesserungen es bietet, erläutern wir im Testbericht.

Übersicht

Xiaomi präsentierte die Mi 10-Serie für den deutschen Markt am 27. März 2020. Verfügbar sind die Smartphones seit dem 7. April. Das Mi 10 kostet hierzulande 799 Euro mit der Speicherkonfiguration 8 + 128 GB. Mit 256 GB Speicherplatz beläuft sich der Preis auf 899 Euro. Es ist in den Farben Dämmerungsgrau und Korallgrün erhältlich. Für das etwas besser ausgestattete Pro-Modell verlangt der Hersteller 999 Euro. Aktuell ist das Mi 10 als Global Version schon ab 686 Euro erhältlich.

Lieferumfang

Design und Verarbeitung des Xiaomi Mi 10

Beim Design orientiert sich Xiaomi an der modernen Optik anderer Premium-Modelle. So bietet das Mi 10 ein abgerundetes, beidseitig gewölbtes Gehäuse aus zwei Glashälften samt einem schmalen Aluminiumrahmen. Das Aussehen erinnert stark an das Mi Note 10 (Test), welches wiederum an Huaweis P30 Pro angelehnt ist. Design ist bekanntlich Geschmackssache, doch wir finden, dass Xiaomi in dieser Hinsicht bereits ausgefallener war, beispielsweise beim Mi 9T Pro (Test). In puncto Verarbeitung steht das Mi 10 der aktuellen Konkurrenz in nichts nach. Der Preisunterschied zum Vorgänger ist bereits in der besseren Haptik, vor allem in Bezug auf den Vibrationsmotor, spürbar.

Trotz der enormen Größe liegt das Handy wirklich angenehm in der Hand, denn es ist weder kantig noch sonderlich rutschig. Auch die dezente, grau-bläuliche Farbe unseres Testgeräts (Dämmerungsgrau) ist schick, nur zieht die glänzende Rückseite leider Fingerabdrücke stark an. Die Tasten sind gut erreichbar und haben einen präzisen Druckpunkt. Gegenüber dem Mi Note 10 fällt die Bildschirmkrümmung etwas geringer aus – Xiaomi trifft hier aus unserer Sicht die Balance aus Optik und Handlichkeit.

Allgemein ist das Mi 10 im Vergleich zu anderen Smartphones leicht dicker und die Kameras auf der Rückseite ragen dennoch deutlich aus dem Gehäuse hervor. Zwar setzt Xiaomi beim Kameramodul nicht auf ein klobiges Rechteck, die scharfen Kanten können aber trotzdem stören. Durch die rein vertikale Anordnung wird außerdem oftmals der unterste Sensor mit dem Finger verdeckt, bei dem es sich ausgerechnet um die Weitwinkelkamera handelt. Wie etwa beim Galaxy S20 Ultra erzeugt die optische Bildstabilisierung des Hauptsensors ein hörbares Klappern, wenn die Kamera nicht aktiv ist und das Smartphone geschüttelt wird.

Premium-Gehäuse mit Detailschwächen

Im Rahmen sind übrigens noch ein Infrarotsender, zwei Stereo-Lautsprecher, der SIM-Slot und der USB-C-Anschluss verbaut. Der IR-Sender ist beispielsweise als TV-Fernbedienung nutzbar und stets ein gern gesehenes Extra. Die Stereo-Speaker sind gleich stark und sorgen für einen lauten, klaren Sound. Zu bemängeln ist die Tatsache, dass das Mi 10 in Europa nur Single-SIM unterstützt. Beispielsweise in China gibt es das Handy auch als Dual-SIM-Variante.

Ebenfalls schwach für ein Oberklasse-Smartphone ist der USB-C-Port mit USB 2.0-Geschwindigkeit. Zu diesen Preisen wäre der USB 3.0-Standard angebracht. Eine IP-Zertifizierung zum Schutz vor Wasser und Staub bietet das Mi 10 ebenfalls nicht. Der ins Display integrierte Fingerabdrucksensor ist schneller als der im Mi 9, fällt aber immer noch hinter denen in OnePlus-Smartphones zurück.

Technik und Features

Nicht nur äußerlich bietet das neue Flaggschiff Verbesserungen gegenüber dem erfolgreichen Mi 9 (Test). Die gesamte Ausstattung fällt umfangreicher aus. Eines der größten Upgrades fällt bereits auf der Front ins Auge: das neue Display. Xiaomi verwendet ein Curved-AMOLED-Panel mit einem Loch in der oberen linken Ecke für die Frontkamera.

Das sogenannte Punch-Hole-Design gefällt uns zwar mehr als die tropfenförmige Einkerbung (Notch) aus letztem Jahr, allerdings hätten wir noch lieber eine Pop-Up-Kamera wie etwa beim Mi 9T Pro gesehen. Letztere Lösung hätte ein komplett ununterbrochenes Display ermöglicht und die Vorderseite vom Einheitsbrei anderer Premium-Handys aus Frühjahr 2020 abgehoben.

Großes Display mit 90 Hertz

Der Bildschirm des Mi 10 misst diagonal 6,67 Zoll und löst in Full-HD+ auf. Gemäß dem gewählten 19,5:9-Format entspricht dies konkret 2.340 x 1.080 Pixeln und einer Pixeldichte von 386 ppi. Kontraste und Farben sind AMOLED-typisch exzellent und die Helligkeit fällt sehr hoch aus. Verglichen mit dem Mi 9, dessen Bildschirmhelligkeit 555 Nits bei 100% APL und 680 Nits bei 20% APL beträgt, schafft das neue Modell 725 bzw. 855 Nits. Wir würden das verwendete Panel zu den besten, aber nicht explizit dem besten auf dem Markt zählen.

Erstmals gibt es in einem Xiaomi-Handy eine höhere Bildwiederholfrequenz von 90 Hertz. In der Android-Oberklasse ist dies zunehmend eine populäre Eigenschaft, da dies für eine subjektiv wesentlich schnellere und flüssigere Bedienung sorgt. Einige Konkurrenzmodelle bieten zwar bereits 120-Hertz-Displays, aber der Unterschied zu 90 Hertz ist nicht so gravierend wie der Sprung von 60 auf 90 Hertz.

Leistung, Speicher, Konnektivität

Für die Rechenleistung ist erwartungsgemäß ein Snapdragon 865 zuständig. Der Qualcomm-Prozessor ist derzeit der schnellste verfügbare SoC für Android-Handys und werkelt ebenfalls in einigen Flaggschiffen anderer Hersteller. Entsprechend schneidet das Xiaomi Mi 10 in Benchmarks erstklassig ab und die Bedienung ist unter verschiedensten Bedingungen tadellos flott. Abseits des 90-Hertz-Displays und der Benchmark-Werte fiel im Test allerdings kein nennenswerter Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem Mi 10 und dem direkten Vorgänger mit einem Snapdragon 855 auf.

ModellXiaomi Mi 10Huawei P40 ProSamsung Galaxy S20 UltraOnePlus 8 Pro
Geekbench 5 (Singlecore)904 Pkt.777 Pkt.907 Pkt.895 Pkt.
Geekbench 5 (Multicore)3.354 Pkt.3.173 Pkt.2.814 Pkt.3.269 Pkt.
3DMark Sling Shot Extreme
(OpenGL ES 3.1)
7.199 Pkt.6.130 Pkt.6.680 Pkt.7.097 Pkt.
GFX Bench Car Chase42 fps54 fps25 fps26 fps
GFX Bench Manhattan 3.174 fps60 fps43 fps45 fps

Unter anhaltender Last stellten wir maximal eine Leistungsdrosselung um 20 Prozent fest, was in etwa einem normalen Wert entspricht. Abnormal warm wurde das Gerät währenddessen nicht. Den Game Booster zur potenziellen Leistungsmaximierung nutzten wir für die Benchmarks nicht. Wie bei nahezu jedem Xiaomi-Smartphone ist die Benutzeroberfläche MIUI installiert. Die vorhandene Version 11 basiert auf Android 10 und ist stark angepasst. Trotz der vielen Einstellungsmöglichkeiten wirkt sie nicht überladen.

Das Smartphone über acht Gigabyte LPDDR5-Arbeitsspeicher, zudem sind wahlweise 128 oder 256 Gigabyte UFS 3.0-Massenspeicher verbaut. Eine Speichererweiterung per MicroSD-Karte ist nicht möglich. In puncto Konnektivität unterstützt das Mi 10 aktuelle Standards, darunter 5G-Mobilfunk, Wi-Fi 6 mit 8×8 MU-MIMO, NFC und Bluetooth 5.1. Unter anderem ist die 5G-Unterstützung für den Preisanstieg verantwortlich – sie macht das Handy aber auch zukunftssicher.

Ausdauernder Akku

Ein großer Pluspunkt des Geräts ist der Akku. Dieser bietet eine Kapazität von 4.780 Milliamperestunden. Beim Mi 9 war der wesentlich kleinere 3.300-Milliamperestunden-Akku noch ein Manko. Diesbezüglich hat Xiaomi das Blatt beim neuen Modell gewendet, denn trotz des großen 90-Hertz-Displays ist das Mi 10 sehr ausdauernd.


Während des Tests erreichten wir bemerkenswert lange Bildschirmnutzungszeiten zwischen sechs und acht Stunden. Wie immer ist hier allerdings anzumerken, dass die Akkulaufzeit je nach Nutzungsverhalten variiert. Zwei Tage ohne Aufladen hält das Mi 10 in den allermeisten Fällen durch – bei starkem Gebrauch genügt eine Akkuladung immerhin für rund eineinhalb Tage.

Einige wenige Smartphones mit 60-Hertz-Bildschirmen halten nochmals länger durch, aber das Mi 10 bietet wohl die längste Laufzeit für ein Modell mit 90 Hertz. Im PCMark-Akkutest hielt es bei circa 50-prozentiger Bildschirmhelligkeit knapp über 14 Stunden durch und hatte anschließend noch 20 Prozent übrig.

Innerhalb einer Stunde ist das Smartphone mit dem mitgelieferten 30-Watt-Ladegerät via USB-C wieder voll aufgeladen. Alternativ unterstützt das Gerät auch kabelloses Laden mit der gleichen Leistung – vorausgesetzt ihr besitzt den entsprechenden Wireless-Charger von Xiaomi. Über die Glasrückseite des Mi 10 können auch andere Qi-kompatible Geräte mit zehn Watt aufgeladen werden.

Kameras des Xiaomi Mi 10

Der chinesische Hersteller setzt wie beim Mi Note 10 und Galaxy S20 Ultra (Test) auf den gemeinsam mit Samsung entwickelten 108-Megapixel-Sensor für die Hauptkamera. Die Hauptkamera bietet eine optische Stabilisierung und eine Blende von f/1.69 – im Automatikmodus rechnet der Bildprozessor (ISP) vier Pixel zu einem zusammen, was in 27-Megapixel-Aufnahmen resultiert. Außerdem ist eine 13-Megapixel-Weitwinkelkamera mit f/2.4-Blende verbaut. Für Unverständnis sorgen allerdings die Makro- und Tiefenkamera, welche jeweils nur mit zwei Megapixeln auflösen und eine Blende von f/2.4 bieten.

 

Letztere beiden gibt es ebenfalls in Handys für 200 Euro. Diesbezüglich hätten wie bei einem Oberklasse-Smartphone mehr erwartet. Immerhin die Makrokamera ist eine nette Spielerei, doch die Auflösung ist zu limitierend. Obwohl die hochauflösende Hauptkamera digitales Vergrößern ermöglicht, vermissen wir eine dedizierte Telekamera. Beim teureren Mi 10 Pro verbaut Xiaomi gleich zwei Telekameras, eine mit zweifachem Zoom für Portraits und eine mit zehnfachem Hybrid-Zoom für weit entfernte Motive. Die Frontkamera löst mit 20 Megapixeln auf.

Beispielfotos – wie ist die Qualität der Aufnahmen?

Fotos der Mi 10-Hauptkamera sehen definitiv besser als beim Mi 9 oder sogar Mi Note 10 aus. Im Vergleich zu letzterem Modell ist dies aufgrund des gleichen Sensors einzig dem ISP des Snapdragon 865 sowie Software-Optimierungen seitens Xiaomi zu verdanken. Bei Tageslicht schneidet das neue Flaggschiff erwartungsgemäß gut ab. Der mittlerweile vom Sensor bekannte Schärfeabfall abseits der Bildmitte ist bei Nahaufnahmen leider ebenfalls gegeben. Einen nennenswerten Qualitätsfortschritt verzeichnet Xiaomi zudem noch bei den Nachtaufnahmen. Gegenüber den Vorgängern bleiben sichtbar mehr Details erhalten, überboten wird das Mi 10 jedoch in diesem Aspekt von Konkurrenten wie Google, Huawei und Apple.

Die Weitwinkelkamera ist in Ordnung, ihre Bildqualität dürfte allerdings besser sein, denn selbst beim Mi 9 sind Weitwinkelfotos schärfer. Allgemein sind die drei zusätzlichen Kameras auf der Rückseite recht mau. Selbst das günstigere Mi Note 10 macht vor, das ein besseres Kamera-Setup möglich gewesen wäre. Für Makroaufnahmen integrieren andere Hersteller einen zusätzlichen Autofokus in die Weitwinkelkamera und erzielen somit bessere Ergebnisse. Dies stellt besonders das OnePlus 8 Pro (Test) unter Beweis, das mit gleicher Speicherausstattung nur 100 Euro mehr kostet und zugleich noch ein etwas besseres Display bietet. Die Makrokamera im Mi 10 ist nicht unbrauchbar, aber die Konkurrenz bietet diesbezüglich mehr. Immerhin die Selfie-Kamera schneidet im Test noch gut ab, zählt aber nicht zu den allerbesten ihrer Klasse.

Zugutehalten müssen wir dem Mi 10 noch die überdurchschnittliche 4K-Videoqualität. Auch mit 60 Bildern pro Sekunde sind die Videoaufnahmen ansehnlich, eine zusätzliche elektronische Bildstabilisierung ist jedoch nur bei 30 Bildern pro Sekunde gegeben. Ein Wechsel zwischen den verschiedenen Kameras ist während des Filmens nicht möglich, immerhin kann dann digital gezoomt werden. Die optionale 8K-Funktion ist aus unserer Sicht unausgereift und nicht empfehlenswert, zumal dies ohnehin zu viel Speicherplatz verbraucht.

Fazit

Xiaomis Mi 10 ist rundum besser als das Mi 9 – nur nicht nur in Sachen Preis. Im Vergleich zu anderen Top-Smartphones aus 2020 übertreibt der Hersteller zwar nicht maßlos, doch Xiaomi-Fans dürften von dieser starken Preiserhöhung sicherlich abgeschreckt werden. Besonders im letzten Jahr unterbot das Unternehmen die Konkurrenz noch deutlich und es mussten nur wenige Abstriche dafür in Kauf genommen werden. Das Mi 10 bietet aktuellste Technik, allerdings wurde erneut an einigen Ecken gespart. Am stärksten ist dies bei den Kameras spürbar. Nur das deutlich teurere Pro-Modell bietet eine preislich angemessene Kamera-Ausstattung. Die Fotos und Videos der Hauptkamera gelingen dem normalen Mi 10 trotzdem, leichte Unterschiede zu anderen Premium-Handys existieren dennoch.

Positiv fällt das hochwertige Display auf – die höhere Bildwiederholfrequenz ist in dieser Preisklasse ein absolutes Muss. Der leistungsfähige Prozessor sorgt dafür, dass alles schnell und reibungslos läuft und auch bei der Konnektivität erlaubt sich Xiaomi nur durch die fehlende Dual-SIM-Funktionalität einen Schnitzer. Ebenfalls die Verarbeitung ist nun spitzenmäßig und die Stereo-Lautsprecher lassen über den fehlenden Kopfhöreranschluss hinwegsehen. Eine IP-Zertifizierung wäre aber angebracht gewesen.

Der größte Vorteil ist der Akku des Xiaomi Mi 10. Er hält lange durch und ist schnell per Kabel oder Wireless Charging wieder aufgeladen. Das überdurchschnittlich flotte Reverse Wireless Charging ist ein nettes Extra. Insgesamt ist das Smartphone ein gutes Flaggschiff, das weder enttäuschend noch perfekt ist. Preislich ist es mit 799,- Euro* bzw. 899 Euro in Europa nur nicht mehr das günstigste oder beste Angebot seiner Klasse. Schade!

Pro

  • lange Akkulaufzeit und schnell per USB-C oder Qi wieder geladen
  • gutes 90-Hertz-Display
  • hochwertige Verarbeitung und starke Lautsprecher
  • gute Foto- und Videoqualität der Hauptkamera
  • hohe Leistung und aktuelle Funkstandards

Contra

  • nur Single-SIM und kein erweiterbarer Speicher
  • zusätzliche Kameras fallen stark hinter der Hauptkamera zurück
  • keine IP-Zertifizierung gegen Wasser und Staub
  • happiger Preissprung im Vergleich zum Vorgänger

 

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Foto von Tim Metzger Tim Metzger

… schreibt seit 2020 für Allround-PC zu Technik aller Art und hat schon in jedem Ressort Artikel verfasst. Abseits des Redakteur-Jobs studiert Tim Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher und diverser Sprachformen (m/w/d) verzichtet. Alle Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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